Einmarsch der US-Army als Befreiung und Erlösung
SPD erinnert an das Kriegsende in Laudenbach am 27. März 1945
11. April 2025 – Der SPD-Ortsverein und seine Arbeitsgemeinschaft 60plus erinnerten in einer Abendveranstaltung im voll besetzten Georg-Bickel-Haus an ein prägendes Datum in der Ortsgeschichte. Am 27. März 1945, also vor 80 Jahren, endete mit dem Einmarsch der US-Army in Laudenbach die Nazidiktatur. Diesen Anlass nutzten die Veranstalter, zu einer Geschichtsstunde einzuladen, die sich aber nicht auf den Rückblick beschränkte, sondern daraus auch Schlüsse für Gegenwart und Zukunft ableitete. Die Wortbeiträge wurden in glänzender Weise musikalisch verbunden mit Musikvorträgen des Duos Bernd Hauptfleisch und Annette Hock, die mit Liedern wie „Sag mir, wo die Blumen sind“, „Und wir hatten geglaubt, wir wär’n die Nazis los“, „Imagine“, „Es ist an der Zeit“ und zum Abschluss gemeinsam mit den Besuchern „We shall overcome“ einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Abends beitrugen.
In seiner Begrüßung erinnerte der stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende und Sprecher der AG 60plus, Herbert Bangert, daran, dass die damals noch junge Arbeitsgemeinschaft vor 20 Jahren schon einmal an das Kriegsende in Laudenbach erinnert habe und seinerzeit acht Zeitzeugen ihre Erlebnisse und Empfindungen geschildert hätten, um insbesondere die nachgeborene Generation in eine Erinnerungsgemeinschaft einzubinden. „Der 27. März 1945 war ein Tag der Befreiung und der Erlösung, symbolisiert aber gleichermaßen die Niederlage“, führte Bangert aus und unterstrich diesen Ambivalenzcharakter mit einer Rundfunkansprache von Thomas Mann. Das Kriegsende habe die Voraussetzung für einen friedlichen und demokratischen Neuanfang und das Ende eines Irrwegs deutscher Geschichte markiert. Bangert erinnerte an die Millionen Opfer, darunter auch 181 gefallene Laudenbacher. Am Tag der Befreiung seien durch deutschen Artilleriebeschuss noch drei Kinder und eine Frau ums Leben gekommen. Weiter seien an diesem Tag noch zwei deutsche und ein amerikanischer Soldat gestorben.
Anlass der Veranstaltung sei der Blick zurück, das Wachrufen und in Erinnerung bringen, aber auch das Neuvermitteln jenes Bildes, das sich vor 80 Jahren bot. Krieg und Naziregime hätten die gesellschaftlichen Strukturen auch in Laudenbach zerstört. Die Nazis hätten mit dem Instrumentarium einer Diktatur den bürgerschaftlichen Konsens aufgelöst. „Überwachung, Bespitzelung, Misstrauen, Angst und die tägliche Sorge um das eigene und das Leben der Familienangehörigen war Allgegenwart“, so Bangert, der an die Leiden der jüdischen Mitbürger und das schmerzliche Schicksal der Heimatvertriebenen und die besonderen Leistungen der „Trümmerfrauen“ erinnerte. Hochachtung gebühre besonders jenen Mitbürgern, die -wenn auch letztlich in tragischer Vergeblichkeit – Widerstand geleistet hätten wie in Laudenbach beispielsweise Adam Fink, Valentin Giegrich und Valentin Hildenbrand. Bangert würdigte die Atlantische Allianz, die wesentlich geholfen habe, die Kriegsfolgen zu überstehen und den Weg in eine lebendige Demokratie wiesen. Bangert beleuchtete den Aufbau der parlamentarischen Demokratie und das vor 76 Jahren verkündete Grundgesetz, in dem die Unantastbarkeit der Würde des Menschen aus der leidvollen Erfahrung der Gewaltherrschaft ganz oben angestellt worden sei. Er erinnerte an die große Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, der mahnte „wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ und bedauerte den Zulauf zu rechten Parteien und damit zu einer Ideologie und einem Gedankengut, das man glaubte, „vor 80 Jahren unter den Trümmern begraben zu haben“. Bangert blickte abschließend besorgt auf die aktuelle Weltlage, in der sowohl bei Putin als auch Trump imperialistische Großmannssucht Einkehr gehalten habe und hoffte, dass Vernunft einkehre und Frieden wieder hergestellt bzw. bewahrt werden könne.
Die als Zeitzeugin vorgesehene Ilse Kornek, die als achtjähriges Mädchen den Einmarsch in der Bahnhofstraße ganz unmittelbar miterlebte, musste sich leider krankheitsbeding entschuldigen. Herbert Bangert, der in den letzten Wochen viele Gespräche mit ihr geführt hatte, konnte ihre Erlebnisse und Empfindungen auf der Basis dieser Gespräche sowie eines Berichtes dieser Zeitung zum 70-jährigen Kriegsende wiedergeben. Die Amerikaner hätten den Ort weiß geflaggt, wie bei einer Prozession, vorgefunden. Als eine Vorhut in den Ort eingefahren sei, habe ihr Vater August Hildenbrand den Weg zur „Kommandantur“, dem Rathaus, gewiesen, sodass er der erste Laudenbacher gewesen sei, der mit den Amerikanern Kontakt hatte. Kornek erinnerte sich auch an das Befüllen der Feldflaschen mit dem Hildenbrandschen Hauswein. „Ruckzuck war der ganze Hof voll. Alle schütteten ihr Wasser aus und füllten Wein auf“, was ihren Vater zur Feststellung brachte „von denen schießt heute keiner mehr“. Kornek erinnerte auch an die vier unschuldigen Opfer und kam zum Schluss, dass der Einmarsch wie eine Erlösung gewesen sei. „Endlich war der Krieg vorbei und endlich gab es keine Fliegeralarme mehr“.
Der langjährige Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Professor Gert Weisskirchen erinnerte wie sein Vorredner an die große Rede von Weizsäckers, in der er das Kriegende als „Tag der Befreiung“ würdigte. Er habe diese Rede im Bundestag miterlebt und dabei festgestellt, dass diese Einschätzung teilweise auch Verwunderung ausgelöst habe. Diese Aussage sei umso bedeutsamer, als sie von jemand kam, der bei dem Kriegsbeginn dabei gewesen sei und einer völlig anderen Tradition entstamme. Weisskirchen erinnerte an den Heidelberger Parteitag der SPD im Jahr des Ablebens des Reichspräsidenten Friedrich Ebert 1925, in dem man den Schlüsselsatz formuliert habe „wir wollen die Vereinigten Staaten von Europa“ und stellte die Frage, ob die Barbarei hätte verhindert werden können, wenn dieser Wunsch in Erfüllung gegangen wäre. Das Jahr 1925 sei ein Schlüsseljahr der Weimarer Republik gewesen und es habe schon viele gegeben, die auf die Gefahr der Nationalsozialisten hingewiesen hätten. Schritt für Schritt sei der Weg zu Hitler geebnet worden, wobei die Weimarer Republik gescheitert sei, weil es zu wenige Demokraten gegeben habe. Weisskirchen erinnerte an das von Nazideutschland ausgehende Leid, das man insbesondere auch der belarussischen und ukrainischen Bevölkerung zugefügt habe. So sei ein Drittel der belarussischen Bevölkerung gestorben und man habe Millionen von Fremdarbeitern als billige Arbeitskräfte nach Deutschland verschleppt, wobei Weisskirchen bedauerte, dass dieser Aspekt deutscher Geschichte noch nicht ausreichend aufgearbeitet sei.
Nach dem Krieg sei es gelungen , dank der Alliierten eine demokratische Gesellschaft aufzubauen, wobei er ganz besonders den Einsatz von Carlo Schmid beim Entstehen des Grundgesetzes würdigte. Hierbei habe man die Erfahrungen der Nazidiktatur einfließen lassen, aber sich auch an den Verfassungen der Westalliierten orientiert, um eine „Grundlage für eine andere Welt“ zu schaffen. Heute befinde man sich in einer Zeit der Neuorientierung, in der man sich frage, wohin die Reise unserer Gesellschaft gehe. „Wir müssen einen Weg durch ein Dickicht finden und dabei keine Fehler wiederholen“ mahnte Weisskirchen. Er beschrieb die imperiale, autokratische Politik in Ost und West und warnte vor einem weiteren Erstarken der AfD, deren Verfassungsmäßigkeit er in Frage stellte. Es müsse das Ziel bleiben, dass man an den Parametern Freiheit, Demokratie, Solidarität und Sicherheit festhalte, wenn man verhindern wolle, was man 1945 habe bilanzieren müssen. Er sei sicher, dass die Sozialdemokraten an diesen großen Zielen festhielten und er wisse, dass der Ortsverein Laudenbach hier ein verlässlicher Partner sei, schloss Weisskirchen.