Angemessene Würdigung von Grundgesetz und Demokratie
SPD-Ortsverein feierte 75. Geburtstag / Verabschiedung von Familie Moser
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wären wohl zufrieden gewesen mit der Ausrichtung der Feier, die der SPD-Ortsverein gemeinsam mit seiner Arbeitsgemeinschaft 60plus zum 75 Geburtstag der wiedergeborenen Demokratie am Freitagabend im sehr gut besetzten Georg-Bickel-Haus ausrichtete. Der bekannte Historiker Professor Peter Brandt, ältester Sohn des ehemaligen Kanzler Willy Brandt, war eigens aus Berlin angereist, wobei er einleitend ausführte, dass er nach seinem Besuch vor zwei Jahren, als er gemeinsam mit Professorin Adelheid Bahr bei seinen Parteifreunden zur Entspannungspolitik referierte, auch zu Freunden zurückgekehrt sei.
Weiter war der bekannte Pfälzer Liedermacher Uli Valnion zu Gast und seine Lieder zu Demokratie und Freiheit, bei denen er immer wieder zum Mitsingen animierte, trugen ganz wesentlich zu dem überaus gelungenen Abend bei. Valnion hatte als besonderen Höhepunkt im Vorfeld der Veranstaltung ein Lied zum Grundgesetz geschaffen und mit dem gemeinsamen „Die Gedanken sind frei“ und „Gute Nacht, Freunde“ zum Abschluss sorgte er, unterstützt von seiner Gattin, für Gänsehautmomente.
Schließlich nutzten SPD und Arbeiterwohlfahrt (AWO) den Rahmen der Veranstaltung, um seine verdienten Mitglieder Hans-Jürgen und Ingrid Moser zu verabschieden, die im Juni nach Marokko auswandern werden.
Der Organisator der Veranstaltung, 60plus-Sprecher Herbert Bangert, erinnerte in seiner Begrüßung an das Inkrafttreten des Grundgesetzes vor exakt 75 Jahren und das Zustandekommen nach einem Auftrag der Alliierten, in dessen Folge zunächst ein Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee und schließlich ab 1. September 1948 der Parlamentarische Rat in Bonn tagte. Die 65 Mitglieder, darunter nur vier Frauen, seien von den Landtagen der Länder der westlichen Besatzungszonen entsandt gewesen. Sie hätten Konrad Adenauer zum Vorsitzenden gewählt. Der spätere Mannheimer Bundestagsabgeordnete Carlo Schmid sei als Vorsitzender des Hauptausschusses einer der herausragenden Köpfe beim Zustandekommen des Grundgesetzes gewesen, das schließlich exakt vier Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai 1949, mit 53 gegen zwölf Stimmen angenommen und am 23. Mai in einem Festakt verkündet wurde.
„Dass damals eine der erfolgreichsten Demokratien der Welt geboren wurde, das haben selbst die Väter und Mütter nicht zu hoffen gewagt“, sagte Bangert, der weiter die Ergebnisse der ersten Bundestagswahl beleuchtete und erinnerte, dass Adenauer für die Kanzlerwahl sich nicht gescheut habe, eine Koalition mit der rechten Deutschen Partei zu bilden, in der mehrere ehemalige Nazis versammelt waren. Es sei weiter bemerkenswert, dass Adenauer mit Hans Globke den Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze von 1953 bis 1963 zum Kanzleramtsminister und damit engsten Vertrauten berufen habe.
Wenn die Unantastbarkeit der Würde des Menschen in der Verfassung ganz obenan gestellt worden sei, sei dies eine der Konsequenzen aus den Erfahrungen der Naziherrschaft gewesen. Bangert würdigte das Grundgesetz und die auf ihm basierende Demokratie als Erfolgsmodelle, die auch nach der Überwindung der innerdeutschen Teilung Bestand hätten. Auf aktuelle Gefährdungen eingehend war Bangert sicher, dass sich die Demokratie als wehrhaft erweise, weil sich Demokraten zusammentäten, um für sie einzustehen.
Bedeutung der Gleichberechtigung
Die Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion und langjährige Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Ulrike Schweizer, beleuchtete die Entstehung des Artikels 3, Absatz 2 des Grundgesetzes. Die hier festgeschriebene Gleichberechtigung sei vor allem den vier Frauen Friederike Nadig, Dr. Elisabeth Selbert, Dr. Helene Weber und Helene Wessel im Parlamentarischen Rat zu verdanken, deren Biografie Schweizer detailliert vorstellte und hierbei Selbert als treibende Kraft herausstellte. Schweizer erinnerte an die Leistungen der Trümmerfrauen und ging auf die auch nach Verabschiedung des Artikel 3 bestehenden Ungleichheiten ein, die teilweise erst nach Jahrzehnten bereinigt werden konnten, wobei Frauen bis heute in Räten und Parlamenten unterrepräsentiert seien und immer noch ein Fünftel weniger verdienten als Männer. Schweizer schätzte sich glücklich, in die junge Bundesrepublik mit einer modernen, vorbildlich demokratischen und menschenwürdigen Verfassung hineingeboren worden zu sein, deren Werte es zu verteidigen gelte.
Demokratie braucht Gemeinwohlorientierung
Professor Peter Brandt stellte das Grundgesetz in den Rahmen der deutschen Demokratie- und Verfassungsgeschichte und sah die Trennung von Legislative und Exekutive und das Zusammenwirken von Regierung und Volksrepräsentation als wesentliche Grundpfeiler der verfassungsmäßigen Grundordnung. Sein historischer Rückblick begann mit der badischen Verfassung 1818, ehe er auf die Paulskirchenverfassung von 1849 einging, die allerdings nie in Kraft getreten sei. Sie sei verbunden mit der Entstehung eines Grundrechtskatalogs. Wenn auch die Revolution 1848/49 blutig niedergeschlagen wurde und damit gescheitert sei, so seien die Grundforderungen nach Einheit und Freiheit nicht mehr aus den Köpfen zu verbannen gewesen. Brandt erinnerte an die Reichsverfassung von 1871 und die „Weimarer Verfassung“ aus dem Jahr 1919, die eine der fortschrittlichsten jener Zeit gewesen sei. Die Abschaffung der Monarchie, die Stärkung der Volksvertretung und eine problematisch starke Stellung des Reichspräsidenten mit einer Notverordnungskompetenz seien kennzeichnend gewesen. Die Weimarer Republik sei nicht an ihrer Verfassung gescheitert, sondern aufgrund der Kriegsfolgen, der Wirtschaftskrise und der Ablehnung durch Industrielle, Hochfinanz und beamteter Intelligenz.
Brandt beleuchtete den Weg in die Diktatur und die Abschaffung der Verfassung durch das Ermächtigungsgesetz 1933, ehe er auf das Zustandekommen des Grundgesetzes einging und die Beschränkung auf die westlichen Bundesländer als ersten Schritt zur Teilung schilderte. Der Entstehungsmangel seines provisorischen Charakters könne durch langjährige Anwendung, die Erlangung staatlicher Souveränität und Akzeptanz als geheilt betrachtet werden. Das Grundgesetz sehe die Grundrechte, die Etablierung der föderativen Gliederung, die Gewaltenteilung und den repräsentativen Charakter, sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als wesentliche Elemente vor. Während der Bundespräsident eine rein repräsentative Funktion habe, sei der Bundeskanzler durch die Wahl durch das Parlament gestärkt. Bei der Wiedervereinigung 1989/90 habe man sich für einen Beitritt ohne Grundsatzdebatte um eine neue Verfassung entschieden. Brandt stellte unter dem Beifall der aufmerksamen Zuhörer abschließend fest, dass eine Demokratie einer Grundeinstellung bedürfe, die sich am Gemeinwohl orientiere und sie sei die einzige politische Gesellschaftsordnung, die gelebt werden müsse.
Verabschiedung Hans-Jürgen und Ingrid Moser
Die Verabschiedung namens SPD und Arbeiterwohlfahrt nahm – eingebettet in deren Lieblingslieder – Herbert Bangert als langjähriger Wegbegleiter und persönlicher Freund vor. Er schilderte die großen Leistungen Mosers in beiden Organisationen. Herausragend in seiner Zeit als AWO-Vorsitzender sei der Einsatz für die Sanierung des Georg-Bickel-Hauses gewesen. Hier sei ein modernes soziokulturelles Zentrum entstanden, in dem Sozialarbeit im weitesten Sinne, aber auch Kultur und Politik zuhause seien. Der Ortsverein gelte ob seiner Aktivitäten, seiner Räumlichkeiten und seiner Mitgliederzahl weithin als beispielhaft. Bangert erinnerte an die elf Jahre Vorsitzendentätigkeit in der SPD mit dem Höhepunkt des Besuchs des Bundesvorsitzenden und die ebenfalls elfjährige Gemeinderatszugehörigkeit. Ingrid Moser habe in beide Ortsvereine ihren Sachverstand eingebracht und sich als ehemalige Vorsitzende des Partnerschaftsausschusses besonders hervorgetan.
Für AWO und SPD überreichten Vanessa Bausch und Judith Izi ein Luftbild Laudenbachs, Weinpräsente gab es für Brandt und Valnion, bevor die amtierende Vorsitzende des Partnerschaftsausschusses, Maren Deringer-Littau Grüße aus der Partnergemeinde Ivry-la-Bataille überbrachte und Moser für ihr Engagement Erinnerungsfotos und eine Spezialabfüllung Calvados überreichte.